Und was wirst du, wenn ich gross bin by Sven Kemmler
Autor:Sven Kemmler [Kemmler, Sven]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783453407688
Herausgeber: Heyne Taschenbuch
veröffentlicht: 2010-05-01T22:00:00+00:00
And there’s a haund, my trusty fiere
And gie’s a haund o’ thine
And we’ll tak’ ae richt guid wullie-waught
For auld lang syne.
Sollte alte Bekanntschaft denn vergessen sein
Und ihrer nicht mehr gedacht?
Sollte alte Bekanntschaft denn vergessen sein
Und die längst vergangenen Zeiten?
Hier meine Hand, mein treuer Freund,
Und schlag ein mit der deinen!
Und dann lass uns einen ordentlichen Schluck nehmen,
Der alten Zeiten wegen.
19
schauspieler
Leider war niemand bereit, meine erneute Kontemplationsphase als gute Gelegenheit für Sponsoring zu betrachten, wodurch wieder mal Bedarf an Barmitteln entstand. Also sah ich mich nach allem um, was gut bezahlt wurde. Von meinem Bruder erfuhr ich, der bestbezahlte Job als ungelernte Kraft, was aus irgendwelchen bürokratischen Gründen auf mich zutraf, war Leichenwäscher. Aber das war mir dann doch ein wenig zu materialistisch, auch wenn man dort vorwiegend mit Menschen zu tun hat, die sich vom Materiellen gerade wieder wegbewegen.
Eine Freundin erzählte mir von einem Vorsprechen für ein Theaterstück, das recht gut bezahlt war, was im Zusammenhang mit Theater ja keine Selbstverständlichkeit ist, auch wenn ich das damals nicht beurteilen konnte. Der Grund, warum die Worte »Theater« und »bezahlt« in einem Satz so befremdlich wirkten, ist ein vermeintlicher Lehrsatz, den meine Großeltern immer vertreten hatten und dem, wenngleich durch die Siebziger abgeflacht, auch meine Eltern noch ansatzweise anhingen. Er lautete: »Kunst ist brotlos«. Das traf natürlich nicht auf Elvis, seine Erben, Liberace oder die Stones zu, auch nicht auf Robert Redford, Frank Stella oder Will Quadflieg, aber das waren ja auch »die Anderen«. Wobei »die Anderen« die waren, die im Fernsehen oder in der Presse auftauchten. Wie »die Anderen« jemals zu »den Anderen« geworden waren, wie sie es geschafft hatten, direkt vom Entschluss zum Künstlerdasein dahin zu gelangen, »jemand anders zu sein«, war ein Geheimnis, das meiner Meinung nach seit Anbeginn der Zeit von Generation zu Generation weitergereicht wird. Irgendwann, es muss wohl sein, bevor Eltern zu Eltern werden, nehmen deren Eltern sie beiseite und sagen ihnen:
»Sohn, Tochter, wisset: Wenn euer Kind mal künstlerisch tätig wird, fördert es. Aber wenn es anfängt, das beruflich machen zu wollen, so sagt ihm oder ihr: Das ist aussichtslos! So wie es bei euch aussichtslos war. Denn Künstler werden nur die Anderen. Falls ihr zeitgleich mit dem Entschluss eures Kindes, Künstler zu werden, einen Artikel über euren Sprössling im Feuilleton der Zeit lest, euer Kind die Hauptrolle in einem Hollywoodblockbuster bekommt oder im Fernsehen zu sehen ist, dann seid ihr Eltern eines Anderen. Dann mag der Balg in Gottes Namen fortfahren.«
Man muss auch hier vielleicht noch einmal erwähnen: Das war zu der Zeit, als es noch keine Castingshows gab und Talentlosigkeit noch kein Karriereplus war. Heute haben viele Eltern den traditionellen Lehrsatz womöglich vergessen. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt sinnvoll war. Einerseits ist es gut, Widerstände zu überwinden, andererseits ist Unterstützung schon eine feine Sache.
Jedenfalls ging ich frohen Mutes zu erwähntem Vorsprechen, in der Gewissheit, einen guten Job an Land zu ziehen. Schließlich hatte ich mal bei einem Stück in der Schule, das dann nie geprobt und aufgeführt wurde, vorgesprochen und eine Hauptrolle ergattert.
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